
Ich bin ein betagter «Fahrender», ich war über 50 Jahre verheiratet und wir hatten eine Tochter, beide sind leider verstorben. Das Herumfahren und das Camping-Leben lag uns irgendwie im Blut, schon vor 50 Jahren waren wir mit unserer kleinen Tochter mit einem grossen Zelt unterwegs, rund zehn Jahre lang.

Dann gab’s eine Camping-Pause, da waren wir dafür mit unserem grossen Segel-Boot unterwegs, einem alten Zweimaster, einer Yawl, der «Rolling Home». Aber nicht nur binnen, auch buten waren wir mehrmals aktiv, die Irische See und das Mittelmeer wurden befahren. Ich habe sogar den Hochsee-Schein erworben. Über die erlebten Segel-Abenteuer gäbe es viel zu erzählen, aber: tempi passati!

Danach gab’s ein Phase des Reisens mit dem Motorrad. Meistens waren’s nur Wochenend-Touren, aber auch grosse Reisen, vom Nordcap bis Süditalien und vom Atlantik bis Ungarn wurden, teilweise zusammen mit Freunden, „erfahren“. Von dem Erlebten könnte man Bücher schreiben.
Im Jahre 1994 wurde bei meiner Frau Anna die unheilbare Krankheit Lungen-Emphysem festgestellt! Der prognostizierte Verlauf der Krankheit und die eher knappe verbleibende Lebenszeit führte dazu dass wir anfingen unser Rest-Leben umzuplanen.
Unsere Vorstellung wie wir mit der Situation umgehen werden war ziemlich klar: wir wollten so lange wie möglich aktiv bleiben und uns die Welt offen halten, wir wollten weiter unterwegs sein und fahren!
Allerdings: die bisher dafür verwendeten Vehikel, Zelt, Schiff, Motorrad, würden dazu nicht taugen, denn wir würden zukünftig ein umfangreiches Equipment mitnehmen müssen, vor allem für die Sauerstoff-Versorgung. Das schien uns mit einem Wohnmobil am ehesten möglich. Zum Glück gibt’s in unserem Freundeskreis einen erfahrenen Wohnmobilisten, der war bei allen unseren Überlegungen beteiligt und unsere erste Anlaufstelle bei den vielen Fragen.
An der Camping-Ausstellung in Hannover hatten wir uns schon mal einen Gesamt-Überblick verschafft und erste grundsätzliche Entscheide bezüglich der Camper-Art gefällt. Für unsere Anforderungen schien sich am Besten ein Alkoven-Modell zu eignen, es müsste eine grosse Garage mit einer grossen Türe haben, aufgelastet sein und eine gut benützbare Dusche und Toilette haben.
Ich plante mit 60 Jahren in Pension zu gehen, also in rund 5 Jahren. Bis dahin würde sich die Gesundheit von Anna soweit verschlechtert haben dass sie auf meine volle Unterstützung angewiesen sein würde. Und ab dann wollten wir die noch verbleibende Zeit möglichst gut und schön zusammen erleben.

Da ich noch voll in einem anspruchsvollen Job steckte beschränkte sich die mögliche Reisezeit also vorläufig auf wenige Wochen im Jahr. Diese nutzten wir jedoch mit Reisen mit gemieteten Wohnmobilen, immer mit unterschiedlichen Typen und Marken. So konkretisierten sich die Anforderungen an ein eigenes Fahrzeug laufend. In dieser Zeit habe ich auch den kleinen Lastwagen-Ausweis erworben.

Die Gesundheit meiner Frau war zu dieser Zeit noch recht passabel, wir konnten ohne Probleme fahren. Der Radius dieser Reisen war natürlich nie sehr gross, erstens reichte die Zeit nicht für Grösseres, auch war die gemietete Ausrüstung nie sehr luxeriös, und dann waren wir halt blutige Anfänger! Aber wir lernten, auch immer wieder dank der Erfahrung unseres Camperfreundes.
Diese paar “Lehrjahre” haben uns sehr genützt, wir haben gelernt wie unser zukünftiges Fahrzeug ausgerüstet sein muss damit wir auch unter erschwerten Bedingungen gefahrlos und komfortabel reisen können. Und wir haben auch erfahren dass es eine gewisse “Camper-Kultur” gibt. Hilfsbereitschaft, Rücksichtsnahme, Freundlichkeit, Toleranz, das waren Merkmale dieser Kultur die uns sehr gefallen hat.
Im Oktober 2001 liess ich mich pensionieren, eigentlich 5 Jahre zu früh, mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Ich verliess einen tollen Job, mehr Hobby denn Arbeit, aber ich hatte ja einen neuen schönen Job: die Betreuung und Pflege meiner Frau. Ich war allerdings noch zwei Jahre lang immer mal wieder kurz als Freelancer im «meiner» Firma tätig.
Die konkrete Suche nach einem eigenen WoMo wurde intensiviert, immer mit Beistand unseres Camperfreundes. Bei meinem Hauptvermieter im Breisgau fand sich ein passendes Gefährt mit Alkoven, auf 4 To aufgelastet, mit AHK, in Top-Zustand, mit Luftfederung, nur wenige Kilometer auf dem Tacho, zu einem vernünftigen Preis. Ab 1. März 2003 war ich Besitzer dieses WoMo’s! Wir haben es in Erinnerung an unseren Zweimaster auf den Namen “Rolling Home” getauft.

Ich habe das WoMo auf unsere speziellen Bedürfnisse um- und aufgerüstet, speziell die nötige Sauerstoff-Versorgung eingerichtet sowie weitere Dinge welche für meine Frau wichtig waren, aber auch für einen erhöhten Komfort sorgten. Denn unser zukünftiges Camperleben war umständehalber eher auf Wohnen als auf Reisen ausgerichtet, wir brauchten halt zur Versorgung der Geräte Strom. Also irgendwohin fahren und dann sich dort wohnlich einrichten und einige Zeit da bleiben.

Und so begann nun ein anderes Leben! Wir konnten bedenkenlos wegfahren, unsere Tochter passte auf unsere Wohnung auf und erledigte alles Anstehende wie Rechnungen bezahlen und ähnliches. Die ersten Reisen dienten dem Austesten und Verbessern unserer Einrichtung.

Immerhin reisten wir bereits nach Süditalien zu unserem ehemaligen Pflegesohn Fabio. Aber auch andere Orte in Italien, Deutschland, Frankreich wurden angefahren, manchmal mit Treffen unseres Campingfreundes verbunden. Lediglich Österreich haben wir gemieden, bis heute eigentlich, weil wir mit unserem 4-Tönner bereits als Lastwagen gelten mit der Pflicht zur Go-Box. Eigentlich schade, wir haben dieses Land sehr geschätzt als Motorrad-Fahrer!

Im Winter 2003-2004 sind wir das erstemal nach Spanien gefahren, in den Cabo de Gata. Das war der Auftakt zu einigen Überwinterungen in Andalusien, mit den drei Destinationen Cabo de Gata im Bezirk Almeria, in Torre del Mar nahe Malaga, und Conil am Atlantik nahe Cadiz.

Diese Aufenthalte haben in der Regel um die drei Monate gedauert, das Klima war dazumals noch sehr milde. Wir hatten jeweils eine wunderbare Zeit, Anna’s Gesundheits-Zustand war immer noch moderat, und es ergaben sich tolle Freundschaften. Einige davon bestehen heute noch.

Es entwickelte sich eine rege Herumreiserei, wir waren bis zu acht Monate pro Jahr unterwegs. Obwohl sich der Gesundheits-Zustand meiner Frau ständig verschlechterte war die Lebens-Qualität durch das Reisen nie eingeschränkt. Wir waren für alle Notsituationen vorbereitet, ich führte eine halbe Spital-Ausrüstung mit, hatten sowohl Flüssig-Sauerstoff aber auch einen eigenen Sauerstoff-Generator an Bord, Inhalations-Geräte waren fest montiert, wir waren manchmal wochenlang mit montierten Venflows unterwegs und ich konnte ihr so jeweils zweimal täglich intravenös Infusions-Lösungen verabreichen.
Dann wurde unser Leben wieder einschneidend verändert: die einzige Tochter erkrankte an Brustkrebs! Wir haben natürlich unsere Fahrerei sofort eingestellt und unsere Tochter betreut. Leider haben wir sie im Oktober 2007, 43-jährig, verloren! Durch ihren Tod ist das Fahren dann einige Zeit abgeflaut, es war eine zu schwere Zeit für uns, unsere Reiselust war sehr reduziert! Wir haben zwar noch kleine Ausflüge gemacht, aber wir sind nie mehr weit gereist.
Zudem hatte sich der Zustand meiner Frau inzwischen sehr verschlechtert und der Tod war nahe. Doch dann bekam sie im Juni 2008 eine neue Lebens-Chance durch eine beidseitige Lungen-Transplantation!

Dadurch verbesserte sich der Zustand meiner Frau wieder so stark dass wir erneut durchstarten konnten. Es begann ein neues Camping-Leben, ohne Sauerstoff, allerdings mit Unmengen von Medikamenten und Inhalations- und Infusions-Geräten. Aber mit diesen kann man gut reisen, und so sind wir wieder mit dem WoMo unterwegs gewesen, allerdings nie mehr nach Andalusien. Deutschland, Italien, Kroatien, Frankreich, auch die Schweiz, das waren nun unsere Gebiete.

Später war meine Frau durch einen Oberschenkelhals-Bruch, der nicht mehr heilte, bald auf Stöcke und den Rollstuhl angewiesen. Ich baute dann am WoMo die Eingangstreppe so um dass sie trotz alledem selbstständig ein- und aussteigen konnte.
So konnten wir noch fast fünf weitere Jahre herum reisen und haben noch viel Schönes erlebt. Ende September 2012, nach der Rückkehr von einem Istrien-Aufenthalt begann ihre Aortenklappe Probleme zu bereiten. An eine Operation war nicht zu denken, die Lebensdauer wurde auf max. 12 Monate prognostiziert. Da wir nun nicht mehr reisen konnten hat sich Anna dauernd Vorwürfe gemacht weil wir wegen ihr nicht mehr fahren könnten. Ich habe darum sofort unser geliebtes Rolling Home voll ausgerüstet mitsamt dem Roller an eine junge Familie verkauft.
Im Juni 2013 verstarb dann tatsächlich meine Frau zuhause plötzlich an einem Aneurysma. Ich war ja eigentlich seit vielen Jahren auf diesen Fall vorbereitet, aber das Loch in das ich fiel war tief, sehr, sehr tief! Das Campen kam mir anfangs gar nicht mehr in den Sinn. Nur dank unseres guten Freundesnetzes fand ich da raus und entschloss mich, alle Plätze nochmals anzufahren an denen wir gemeinsam waren.
Durch Zufall (oder Vorsehung?) fand ich gegen Ende Jahr ein genau gleiches WohnMobil wie unseres, ein Jahr jünger aber mit ganz wenig gefahrenen Kilometern. Ich hab’s sofort gekauft, wieder perfektioniert und durch kleine Ausflüge ausgetestet, und bin also seit dann wieder ein Fahrender.

Die erste Reise als Witwer startete ich im Dezember 2013 zur Überwinterung auf einen Platz in Torre del Mar in der Nähe von Malage. Auf diesem Platz standen einige Freunde von uns, natürlich alles Paare die auch Anna gekannt hatten. Sie haben mir viel geholfen mich in das Single-Dasein einzugewöhnen. Aber meine Lage kann man nur verstehen wer sowas selber erlebt hat. Nach einem Monat bin ich weiter gefahren nach Conil am Atlantik. Auch da wurde ich von Freunden empfangen und auch da wurden natürlich viele Erinnerungen wach an glückliche gemeinsame Stunden.

In der Folge bin ich dann sehr viel unterwegs gewesen, wieder bis zu 8 Monate im Jahr. Ich habe die meisten Plätze angefahren auf denen ich mit meiner Frau glücklich war. Dabei habe ich die meisten alten gemeinsamen Freunde getroffen, aber auch viele neue Kontakte geknüpft. Eine sehr emotionsgeladene Zeit, aber sie hat zu meiner Trauerbewältigung gehört. Das war eine nicht ganz einfache Zeit, aber ich musste da durch um frei zu werden.
Ich habe wieder begonnen Logbücher zu schreiben, um mich zu entlasten, das hat mir am meisten geholfen. Es war Teil meiner Trauerbewältigung. Diese ersten Logbücher als Witwer sind sehr persönlich und intim sodass sie sich nicht zur Veröffentlichung eignen. Auch die Logbücher über unsere ersten Reisen enthalten viel sehr Persönliches, viele Gefühle sind da festgehalten, für die Öffentlichkeit nicht interessant. Ich habe deshalb nur eher kurzgehaltene Reiseberichte daraus extrahiert. Ab etwa Ende 2014 sind meine Berichte wieder allgemein-tauglich.
Zufällig hatte ich im Internet ein Forum von alleinfahrenden Wohnmobilisten entdeckt, alle über 55 Jahre alt. Es ist kein Verein oder eine Partner-Vermittlung, es sind echte Alleinfahrer. Man hat Kontakt übers Internet, kann sich so informieren wer wo unterwegs ist und sich treffen wenn man will. Es werden so auch gemeinsame Reisen und Treffen organisiert. Sie nennen sich «Sterne».

Ich habe mich da angeschlossen und habe mit diesen Leuten viele schöne Treffen und Reisen erlebt. Die meisten hatten auch ihre Partner verloren und konnten daher meine Lage aus eigener Erfahrung nachvollziehen. Es haben sich viele gute Gespräche ergeben welche mir geholfen haben. Erstaunlich war dass der grössere Teil dieser WoMo-Fahrer Frauen waren!

Für mich war das eine neue Camper-Erfahrung. Mit meiner Frau war der Fokus beim Campen mehr auf Wohnen gerichtet, bedingt durch die Abhängigkeit von Energie. Mit diesen Leuten stand nun mehr das Reisen im Vordergrund, geschlafen wurde vorzugsweise auf abgelegenen Plätzen, Campingplätze wurden eher nur zum Ver- und Entsorgen angefahren, dafür gab’s viel zu sehen und viel Neues, Abenteuerliches zu erleben. Ich habe mit dieser Gruppe noch viel dazugelernt! https://www.wohnmobil-sterne.de/
Und dann lernte ich Ende Dezember 2015 eine Frau mit Hund kennen, eine Witwe wie ich, etwas jünger, aber wir entdeckten viel Gemeinsames. In der Folge entwickelte sich immer mehr Sympathie, schliesslich habe ich sie dann zu einer kleinen Testreise mit dem Wohnmobil eingeladen.

Und es hat ihr sehr gefallen, sie hat sich als richtige Camperin profiliert, auch ihr Hund, eine Sheltiedame, hat sich problemlos eingefügt. Kurzum, das Verhältnis mit den Beiden blieb bestehen, sie fühlen sich seither in meinem WoMo zuhause.

Wir haben bereits viele schöne Reisen gemacht. Wir haben auch in Spanien auf dem gleichen Platz überwintert auf dem ich mit meiner Frau das erste mal war. Ich konnte dort meinen Freunden stolz zeigen dass ich das Alleinsein überwunden habe.

Jetzt macht das Fahren wieder richtig Freude, und wir erleben viel Schönes und manchmal auch Komisches! Dies wird sicher in den veröffentlichen Logbüchern und Erlebnis-Berichten deutlich.
Da ich aber nun nicht mehr Allein-Fahrender bin habe ich die Sterne-Gruppe verlassen, mit einem weinenden Auge, denn ich habe mich bei diesen Menschen sehr wohl gefühlt. Aber das andere Auge lacht! Und ab und zu treffen wir ja immer wieder mal auf einen “Stern”.
Und nun wünsche ich uns beiden Fahrenden noch viele schöne und knitterfreie Fahrten mit unserem Rolling Home, dasselbe auch allen unseren Camperfreunden und auch den vielen weiteren unbekannten Fahrenden.