Was heisst eigentlich «Kommunizieren»? Miteinander in Verbindung treten? Aber wie? Durch Sprechen? Durch Gestik, oder Mimik? Und heisst Kommunizieren auch «Verstehen»? Schwieriges Thema, man könnte flaschenlang darüber diskutieren, schlussendlich ohne sich zu verstehen.
Ich hatte kürzlich ein Erlebnis, das mir in viel kürzerer Zeit zeigte dass Kommunizieren mit dem üblichen sprachlichen Verstehen nicht viel zu tun hat. Und das kam so:
Die Ausgangslage
Ich reiste mit meinem Wohnmobil zum Cabo de Gata, das ist der unterste Zipfel im Südosten Spaniens, in der Gegend von Almeria. Es ist eine der eigenartigsten Gegenden von Europa, die einzige Halbwüste, der trockenste und wärmste Ort Europas (wenn’s gerade trocken und warm ist!). Ziemlich einsam ist’s, das nächste Dörfchen mit 50 Einwohnern ist schon viele Kilometer weit weg, und richtig einkaufen kann man ab 30 Kilometern. Aber dafür gibt’s hier einzigartige Natur wie es sie sonst nirgenwo in Europa mehr gibt.

Ich stehe auf einem Campinplatz mitten in dieser Gegend, auf Los Esqullos, hier gibt’s alles was man braucht an Infrastruktur, Sanitäranlagen, Restaurant, Strom. Ich habe nette Leute um mich herum, zwar nur wenige können deutsch, es sind vorwiegend Franzosen und Engländer, viele Holländer, dann Dänen, Schweden, seit heute ein Australier-Paar, ein paar vereinzelte Deutsche und ich Schweizer. Aber die Kommunikation verläuft herzlich und das Verstehen geht gar nicht so schlecht mit ein wenig Sprache und recht viel Gestik und Mimik, man muss halt (fast) alle Glieder miteinsetzen. Und an der Bar hilft der Alkohol auch noch mit.

Also besteht hier die Kommunikation aus Sprache, Mimik, Gestik und Alkohol.
Ein Problem
In dieser paradisischen Umgebung ein Problem? Was für ein Problem? Nun, nichts was mit Kommunikation zu tun hat. Ganz simpel: Meine spanische Gasflasche ist leer und müsste ausgetauscht werden. Aber: es gibt kein Gas hier auf dem Platz! Hier brauche ich ja auch kein Gas es hat ja Strom. Nur: sobald ich diesen sicheren Hafen hier verlasse und den Stecker rausziehe und weiter fahre brauche ich Energie in Form von Gas. Sonst tauen meine schönen Entrecots und Steaks im Tiefkühler auf, und die Heizung nachts geht nicht mehr und Warmwasser gibt’s auch nicht mehr, sozusagen Weltuntergang!
Die Frage ist nun: wo gibt’s Gas? Die Auskünfte sind ernüchternd.
Erstens: es gibt wenig Propan hier in Südspanien, denn weil’s hier selten unter Null Grad ist braucht man hier eher Butan. Aber ich ziehe bald wieder Richtung Norden und darum muss es Propan sein.
Zweitens: es gibt nur in der Gegend um Almeria vereinzelte Tankstellen die Gasflaschen tauschen, man muss die kennen. Und ob die dann auch Propan da haben ist ungewiss.
Lösungs-Ansätze
Die Problemlösung scheint klar: ich muss mich auf mein Töffchen setzen und halt alle Tankstellen in der Gegend abklappern, mit einem Radius von etwa 60 Kilometer sollte da ein Tag gut ausreichen.
Aber: wenn ich dann eine solche Tankstelle gefunden habe ist das Problem erst halb gelöst. Ich muss dann meine leere Flasche dahin bringen und eine volle zurück nach Hause schaffen. Ich habe zwar zwei Bekannte mit Wohnwagen, die haben ein Auto und würden mich und die Flasche dahin fahren, aber beide liegen momentan mit schweren Erkältungen im Bett. Die nächste Lösung ist dass ich mit meinem Wohnmobil selber dahin fahre. Vorteil, ich bleibe völlig selbstständig und bin auf niemanden angewiesen.
Nur: ich habe mich auf meinem Platz ziemlich wohnlich eingerichtet, aussen rum und aber vor allem auch innen. Da stehen diverse Flaschen und Gläser und Computer und Lautsprecher und tausend Dinge rum die alle verstaut werden müssten wenn ich fahren will. Und in der Garage herrscht sowieso das nackte Chaos, denn das ist üblicherweise die Gerümpel-Kammer während der Wohn-Phase. Soll ich diese Riesen-Aufräum-Arbeit wirklich auf mich nehmen? Nein!

Die ultimative Lösung
Ich habe doch ein Töffchen-Modell mit dem im fernen Osten normalerweise vierköpfige Familen plus zwei Schweine unterwegs sind. Warum soll ich denn damit nicht auch eine einfache Gasflasche transportieren können? Und warum soll ich zuerst die Gegend sondieren gehen, ich nehme doch die Flasche gleich mit und dann geht alles in einem Rutsch über die Bühne, so richtig effizient. Heureka, ich bin stolz auf mich!
Die Ausführung
Die Nachbarn schauen kritisch wie ich die Flasche auf mein Töffchen binde. Manche wiegen den Kopf und äussern Bedenken, es werden auch Themen wie Gefahren-Transporte und so angeschnitten. Aber letztendlich ist man der Meinung: wenn man sowas machen kann dann in Spanien, und da bin ich ja, punkt. Man mahnt mich zur Vorsicht und drückt die Daumen, nett von ihnen.
Abfahrt, es geht gut, hab das Ding doch richtig festgezurrt, kann nichts passieren, höchstens ein wenig hecklastig ist die Fuhre halt. Nach 12 Kilometer die erste Tankstelle, kein Gas. Danach taucht ein kleines Randproblem auf: ich resp. das Töffchen bräuchte nächstens etwas Benzin, habe das ganz übersehen, und ich möchte nicht diese Fuhre durch die Gegend schieben.
Die Rettung naht: nach 15 Kilometer die nächste Tankstelle, die hätte Gas leider nur Butan, aber wichtig ist jetzt Benzin. Mit vollem Tank weiter, ich bin schon in der Gegend von Almeria.
Aber, was sehe ich da: ein Auto fährt seit einiger Zeit verdächtig hinter mir her, weiss, mit schwarzer Beschriftung. Es wird doch nicht!? Doch, es ist die Guardia Civil die hinter mir herfährt.
Nun, ich fahre sehr vorschriftsgemäss weiter, vielleicht wollen die ja gar nichts von mir. Aber leider doch: an einer günstigen Stelle setzen sie sich vor mich und winken mich an den Rand, Sch….e.

Die Kommunikation
Es sind zwei junge Polizisten, sie begrüssen mich höflich, wollen meine Papiere sehen, sie stören sich erstaunlicherweise gar nicht daran dass das nur Kopien sind. Und dann untersuchen sie mein Töffchen, die Befestigung der Flasche, sie sprechen auch dauernd mit mir ohne dass ich das geringste verstehe, und ich gebe auch dauern Erklärungen ab im besten Schweizerdeutsch, sie verstehen das sicher auch nicht. Und doch verstehen wir uns, nicht verbal, sondern auf einer anderen Ebene, denke ich. Die ganze Art wie wir miteinander umgehen, die Mimik, der Ton, die Gestik ist derart eindeutig und klar dass die Sprache gar nicht mehr so wichtig ist. Es ist ein Erlebnis!
Sie sind sehr anständig und ich auch, ich demonstriere ihnen dass die Flasche leer ist (was für ein Glück!) was sie sichtlich positiv stimmt, sie sprechen miteinander über diesen Umstand, ich vermute dass wahrscheinlich das Transportieren von leeren Gasflaschen nicht klar geregelt ist. Ich weise auf die Stärke und die Art der Befestigung hin, was auch offensichtlich ihre Zustimmung findet. Die Quintessenz ist, dass ich nach einem langen Wortschwall, zu dem ich dauernd zustimmend nicke, weiterfahren darf. Glück gehabt, meine Engel haben mir geholfen.
Und ich bin sicher: obwohl beide Seiten überhaupt nicht verstanden haben was gesagt wurde haben wir genau verstanden was gemeint war. Wir haben verstanden dass der andere verstanden hat ohne zu verstehen. Wir haben auf der nicht-sprachlichen Ebene kommuniziert. Tönt jetzt zwar etwas kompliziert, aber man versteht’s doch, oder?
Ende gut, alles gut
So 10 Kilometer weiter komme ich dann an eine Tankstelle die tatsächlich einige Propanflaschen da hat, zu einem Preis der höchstens ein Drittel des Schweizerpreises ist. Ich muss da zuerst einen Kaffee trinken zur Beruhigung und auch dafür dass die Guardia Civil hoffentlich aus dieser Gegend verschwunden ist. Mit einer vollen Gasflasche komme ich wahrscheinlich nicht mehr so glimpflich davon, Kommunikation hin oder her.
Der Tankwart guckt auch ziemlich skeptisch wie ich die Flasche auf mein Töffchen montiere, aber die Heimfahrt verläuft dann doch völlig unspektakulär, von ein paar Schlenkern infolge noch grösserer Hecklast abgesehen.
Grosser Bahnhof zuhause, hochgereckte Daumen. Und jetzt ist das Problem gelöst, und abends an der Bar haben wir wieder ein Kommunikations-Thema. Da hilft ja dann wieder der Alkohol mit!