Reise-Erlebnis.
Wir, d.h.meine Partnerin und ich, machten kürzlich eine grössere Deutschland-Tour mit dem Wohnmobil. Während einem Monat sind wir kreuz und quer vom Süden ganz nach oben gezuckelt und haben unterwegs da und dort WoMo-Freunde aus früheren Zeiten besucht.
Über Bad Säckingen verliessen wir die Schweiz und reisten ohne genaue Planung übers Allgäu, Altmühltal, Berlin, die Mecklenburgische Seenplatte an die Ostsee nach Kiel/Laboe. Alles durch die Dörfer,ohne Autobahn, eine wunderschöne Reise! Viele schöne Gegenden, Städtchen, Freunde, gute Plätze zum wohnen und schlafen haben wir gefunden.
Dann quer durch Schleswig-Holstein an die Nordsee und dann wieder südwärts. Mit der Fähre über die Elbe mit dem Ziel Stade, einem sehenswerten Städtchen welches ich von früher kannte. Wegen der extrem langen Wartezeit von 4 Stunden an der Fähre war es schon recht spät als wir ankamen, aber wir erwischten auf dem fast ausgebuchten Komfort-Stellplatz noch einen der letzten Plätze.
Und hier beginnt nun der Albtraum!
Bei der Anmeldung stellt sich heraus dass die Bezahlung ausschliesslich via Kreditkarte am Automaten möglich ist. Kein Problem, die stecken im Schweizer-Portemonnaie, gut versteckt im Camper. Also zurück zum WoMo, das Versteck geöffnet, ein Griff, und: kein Portemonnaie! Es muss aber eigentlich da sein, da ist es sonst immer!
Angestrengtes Nachdenken ist angesagt, bei der steigenden Nervosität nicht ganz einfach. Meine Partnerin hilft mit Fragen, was mich aber nur noch nervöser macht. Also, das letzte Mal in der Hand hatte ich es noch in der Schweiz bei einem Landi, da hatten wir noch eingekauft, die Ware verstaut und dann sind wir über die Grenze gefahren. Bei der verstauten Ware findet sich jedoch nichts.
Wir suchen weiter, da und dort, dann gehe ich zur Rezeption um abzuklären ob nicht doch eine Möglichkeit der Barzahlung besteht weil wir im Moment unsere Kreditkarten nicht zur Hand haben. Aber Fehlabzeige, es gibt keine Kasse am Schalter. Ich bitte daher um etwas Aufschub um weiter zu suchen.
Ich habe das unbestimmte Gefühl dass ich das Portemonnaie nicht im üblichen Versteck, sondern in der Eile des Losfahrens nur in mein provisorisches Versteck versorgt hatte. Dieses ist simpel: in einer meiner am Haken hängenden Mütze ist so ein Portemonnaie recht gut aufgehoben, da sucht ein Einbrecher eher nicht. Aber leider nein, da drin ist nichts. Und alle auch noch sich so anbietenden Stellen geben nichts her. Ich muss einen totalen Blackout gehabt haben als ich das Ding versorgt habe! Die Nervosität bei uns Beiden ist auf hohem Level, wir müssen die nächsten Schritte überlegen.
Als erstes müssen wir weg vom Platz, wir können ja nicht bezahlen. Wir fahren weg und suchen uns einen einsamen Platz. Die Helligkeit reicht noch aus um nun das WoMo buchstäblich auszuräumen. Jede Unterhose und Socke, alle Kleider und auch die Bettwäsche werden minutiös untersucht, die Esswaren und die Werkzeug-Kisten sowie die Camping-Möbel ausgepackt, das WoMo praktisch entleert. Es findet sich kein Schweizer-Portemonnaie! Es ist also entweder verloren, vielleicht vor dem Landi, oder gestohlen worden, aber wir haben ja keinen Einbruch bemerkt. Oder halt doch irgendwo am oder im WoMo, aber wo nur, wir haben doch wirklich alles durchsucht?
Es gibt nur eins: wir müssen auf dem kürzesten und schnellsten Weg nach Hause. Denn ich habe keinen einzigen Ausweis, kann nicht mal beweisen wie ich heisse oder dass dieses Auto mir gehört. Der geringste Zwischenfall oder eine harmlose Polizeikontrolle wären schon echt problematisch. Dass mit den Kreditkarten auch etwas passieren könnte ist fast Nebensache. Schlimmer ist dass auch medizinisch wichtige Ausweise wie Aorten-Ersatz-Ausweis oder Antikoagulations-Ausweis nicht mehr vorhanden sind.
Also alles wieder einräumen und den Camper startklar machen. Dann ab auf die nächste Autobahn und an Hamburg und Hannover vorbei Richtung Süden. Obwohl ich bereits 10 Stunden auf dem Bock gesessen bin bringen wir in dieser Nacht nochmals gut 500 Kilometer hinter uns, aber gegen Morgen machen wir doch eine Pause auf einem Rastplatz unterhalb Kassel, essen etwas und schlafen dann, und studieren, und schlaf-studieren.
Nach etwa vier Stunden ist fertig mit schlafen, wir wollen weiter. Meine Partnerin besteht auf einem Frühstück für mich, und ich sitze da vor meinem Kaffee, betrachte die Innen-Einrichtung und überlege wo wir denn noch nicht gesucht haben, oder wo man etwas verstecken täte. Die textile Bespannung von der Fahrersitz-Lehne zum Beispiel würde sich ev. auch noch eignen, aber an sowas habe ich sicher das ganze Leben lang noch nie gedacht. Ich taste trotzdem mit der Hand über die Fahrer-Rückenlehne, streiche über diese Bespannung, natürlich alles hohl darunter und kein Portemonaie.
Ich richte den etwas verschobenen Nacht-Vorhang wieder zurecht, und jetzt, Schock! Mein Portemonaie fällt mir buchstäblich in die Hand!
Ich bin starr, ich glaube es nicht, ich strecke meine Hand zu meiner Partnerin, mein Herz steht still! Es geht eine ganze Weile bis wir das Glück begreifen, es kommt zu unverhofft, man wagt es nicht zu glauben. Alles fällt von einem ab, vorsichtig tastet man sich in die Wirklichkeit zurück, und es stimmt: es ist da, in meiner Hand. Unser Zustand ist kaum zu beschreiben: wir sind von einem riesigen Druck befreit, wir sind frei, können wieder tun und lassen was wir wollen. Solche Momente sind absolute Glücksmomente, wir durften das erleben!
Erst langsam fragt man sich wo denn das verdammte Ding gesteckt hat. Die Erklärung war dann recht einfach. Ich hatte tatsächlich das Portemonaie in der aufgehängten Mütze versteckt. Während der Fahrt muss es dann rausgefallen sein, aber nicht gerade nach unten wo man es auf der Sitzbank hätte finden müssen. Wahrscheinlich bei Kurvenfahrten ist es seitlich zwischen den Nachtvorhang und die Rücklehne der Sitzbank gefallen. Aber nicht auf den Boden wo man es ebenfalls gefunden hätte, sondern es ist an einer Querleise auf halber Höhe zwischen Vorhang und Rücklehne hängen geblieben. Erst durch mein Herumzerren am Vorhang ist es dann weiter runter und direkt in meine Hand gefallen. Soll das nun ein zukünftiges Versteck werden?
Wir haben natürlich unsere Heimfahrt sofort unterbrochen und sind mitten im Frankenland auf einem wunderbaren Stellplatz bei einer Therme vor Anker gegangen, haben herrlich geduscht, und haben bei Kaffe und Kuchen das Leben genossen. Ich habe heimlich allen meinen guten Engeln gedankt und war einfach total glücklich.
Wir haben durch unseren Gewalts-Ritt zwar einen rechten Teil unserer Reise übersprungen und zwei liebe Freundes-Paare im Münsterland nicht besucht, aber den Rest der Reise trotzdem sehr genossen, unter anderem zwei schöne Tage in München bei langjährigen Freunden. Und dass wir wegen diesem Erlebnis einige Tage früher zuhause sind ist sehr zu verschmerzen, wir geniessen einfach dass wir uns nicht um neue Ausweise und Kreditkarten bemühen müssen.
Und was lernen wir aus diesem Erlebnis? Nichts, da gibt’s nichts zu lernen, ausser dankbar und glücklich zu sein dass alles gut geworden ist. Und dass es ein neues taugliches Versteck in meinem WoMo gibt!
