Ich reise mit dem Wohnmobil sehr viel herum, besuche viele der Plätze an denen ich mit Anna glücklich war. Und dank meinem grossen Freundes-Kreis, diesen Reisen und manchmal mit viel Überwindung geht es mir heute nach zwei Jahren meistens gut, meinen beiden Engeln sei Dank!

Ich habe im Jahr nach dem Tode meiner Frau, besonders im ersten Winter allein in Spanien, gemerkt, dass für mich das Schreiben sehr wirksam ist um Dinge zu verarbeiten. Ich durchlebte seelisch totale Absturz-Phasen, ich war da vielmals ziemlich gefährdet und mir hätte wahrscheinlich psychiatrische Betreung oder wenigsten die vertrautesten Freunde um mich zu haben gut getan. Zur Überwindung hat mir das Niederschreiben sehr geholfen, es hat mich vielleicht sogar gerettet!

Dass ich dieses damals verfasste „Logbuch“ nie jemandem zu lesen gebe ist klar, denn da hab ich die Hosen total herunter gelassen, ich erschrecke heute selber über meine damalige Verfassung wenn ich das lese. Aber es hat auch rückwirkend noch einen Nutzen: ich kann feststellen wie viel besser es mir jetzt nach einem weiteren Jahr schon geht. Ich bin vom Abgrund zurück getreten!

Ich behalte das Schreiben bei, nicht primär zur Veröffentlichung sondern einfach für mich, so quasi eine Fortschrittskontrolle über meinen Gemütsstand, ein „Logbuch meines Rest-Lebens“. Ich mache periodisch einen Zustandsbericht oder halte besondere Ereignisse fest.

Dies ist eines der besonderen Ereignisse:

Per Zufall habe ich ca.Mitte 2014 im Internet ein interessantes Forum gefunden. Da hat eine deutsche Frau, welche ebenfalls das „Fünfte-Rad-Gefühl“ nach dem Verlust ihres Partners erlebt hat im Internet eine Gruppierung ins Leben gerufen für alle Menschen in der gleichen Situation. Und das Passende für mich: es sind alles Wohnmobil-Fahrer/innen, alles Alleinfahrer/innen, eine Person mit einem WoMo. Die tauschen sich via Forum aus, treffen sich unterwegs oder machen gemeinsame Touren, also alles Alleinstehende unter Alleinstehenden.

Mir hat die Idee welche da drin steckt sofort sehr gefallen, denn obwohl ich einen grossen Freundes- und Bekannten-Kreis um mich habe ist das Gefühl des Alleinseins unter lauter Paaren halt vielmals sehr stark. Dies ist ja auch der Grund warum viele Verwitwete sich absondern, isolieren und zu Sonderlingen werden.

Ich habe mich angemeldet, mich mit Bild und kurzem Lagebericht vorgestellt und bin seither auch ein „Stern“. So heissen wir nämlich, „Wohnmobil-Solisten-Sterne“. Und damit beginnt eine Geschichte, wenig positiv, aber ich muss sie mir von der Seele schreiben.

Wenige Tage nach meiner Anmeldung zu den Sternen (Oktober 2014) habe ich einen Anruf bekommen von einer Sternefrau welche in einer Nachbarsgemeinde wohnt. Sie freue sich so nah einen Stern zu haben und wir sollten uns doch mal zum Kaffee treffen. Das haben wir dann auch gemacht, in einem Restaurant an ihrem Wohnort. Wir haben uns gut unterhalten, uns unsere Lebens-Situation erzählt und von unseren Reise-Plänen gesprochen, unter anderem auch dass ich im Januar wieder nach Andalusien fahren werde..

So ganz nebenbei habe ich auch erfahren dass diese Liegenschaft, das Restaurant, eine Bar, eine grosse BMW-Vertretung mit Garage, Auto-Spritzwerk und Tankstellen ihr selber gehört, dass sie also eine sehr vermögende Witwe ist! Sehr beeindruckend, aber da ich weder auf Partnersuche noch arm bin nahm ich das mal so zur Kenntnis.

Es war ein guter Nachmittag, die Sternefrau, weil noch ziemlich unerfahren im Alleinreisen, möchte im Schlepptau mit mir im Januar nach Spanien fahren. Sie möchte nach Torre la Sal, dort seien viele Sterne am überwintern. Ich hab nichts dagegen, mache aber den Vorschlag zuerst mal zwei, drei Tage nach Bad Dürrheim zu fahren um die «Chemie» zu testen. Sie war einverstanden.

Ein paar Tage später hat mir eine weitere Sternefrau telefoniert, vom Bodensee. Sie sei eine Freundin von Sternefrau 1, diese hätte ihr von mir erzählt, und sie sei ebenfalls interessiert mit mir zusammen nach Spanien zu fahren obwohl sie bereits ein paar mal allein diese Reise gemacht hätte. Ich machte ihr den Vorschlag ebenfalls mit Sternefrau 1 nach Bad Dürrheim zu kommen zwecks Beschnupperung. Sie war ebenfalls einverstanden.

Eine Woche später kam ein neuer Anruf von Sternefrau 1: wir könnten doch in ihrem Restaurant zusammen Nachtessen. Ich sagte zu, ging hin, und wurde fast erschlagen: ihre ganze Familie, Töchter mit ihren Familien, Freunde, eine grosse Schar von Leuten, gegen 15 Personen sassen da als geschlossene Gesellschaft, und ich wurde vorgestellt als „mein R“, wie wenn ich an einer Brautschau wäre! Meine erste Reaktion war: abhauen! Ich bin dann aber aus Höflichkeit geblieben und wurde sicherlich den ganzen Abend lang geprüft und getestet. R, R, wo bin ich da bloss reingeraten!

Wir haben uns dann irgendwann im November in Bad Dürrheim getroffen, zwei Sternefrauen, 4 Hunde und ich. Zum Glück bin ich ein Hunde-Narr und die haben das sofort gemerkt: die Chemie zwischen diesen Vier und mir hat sofort gestimmt, was ich bezüglich der Sternefrau 1 nicht so ganz empfunden hatte.

Denn ich wurde von ihr sofort ziemlich vereinnahmt. Beim ersten gemeinsamen Nachtessen in einem Restaurant habe ich zwar nochmals meine Lebens-Situation und auch meine Gemütslage klar vorgestellt und sehr deutlich gemacht dass ich für eine Beziehung, egal welcher Art, überhaupt nicht fähig sei.

Am zweiten Tag, nach einem Nachmittag in der Therme, ist mir ganz klar geworden: das läuft auf einen Eklat hinaus! Ich habe dann (ich Feigling!) eine Erkältung erfunden und damit meine vorzeitige Abreise begründet. Denn ich wollte einfach als neuer Stern nicht gleich negativ in Erscheinung treten.

Dieses Bestreben war dann auch der Grund dafür dass ich trotz innerem Sträuben mein Versprechen, dass ich die Sternefrauen ins Schlepptau nehmen würde und sie sicher nach Torre la Sal bringen würde, einhielt. Ich habe allerdings klar gemacht, (und das auch im Forum so beschrieben) dass für mich Torre nur eine Zwischenstation sei, dass der Cabo de Gata mein Ziel sei, und dass ab Torre jedes seinen eigenen Weg gehen werde.

Für Sternefrau 2 verzögerte sich dann allerdings aus privaten Gründen der Abreisetermin, sodass ich nur mit Sternefrau 1 reiste. Die Reise verlief problemlos, davon abgesehen dass ich meine Reisegewohnheiten total an die der Sternefrau 1 anpassen musste. Dies hat dann natürlich schon mal einige Spannungen erzeugt, denn jeweils nach ein- bis eineinhalb Stunden war ein Halt angesagt entweder mussten die Hunde oder dann die Sternefrau1 mal, oder die Beine taten weh und mussten neu eingebunden werden, oder das Hubbett hatte sich gelöst und musste neu festgezurrt werden. Von zügig reisen keine Spur, jedenfalls war das „Klima“ bei der Ankunft in Torre doch etwas unterkühlt. Mir war’s schon recht so, kein eigentlicher Streit, aber doch der von mir erwünschte Abstand.

In Torre hat sich Sternefrau 1 bei den dort bereits residierenden Torre-Sternen aufgestellt, ich habe mich in einem anderen Platz-Teil installiert. Ich hatte sehr nette Nachbarn, ganz in der Nähe sogar eine Sternefrau. Eigentlich wollte ich ja nur kurz verweilen, aber aufgrund der guten Nachbarn wurden dann doch etwa 10 Tage daraus. Es war eine gute Zeit: zwei Sternefrauen, ein Witwer und ich haben viel Zeit zusammen verbracht, jeden Tag hat ein anderes gekocht und dann haben wir miteinander gegessen, manchmal war auch ein weiteres Ehepaar dabei, eine lustige Truppe waren wir.

Und dann ist da ein Vorfall passiert der mir die Sternefrau1 wahrscheinlich zur Todfeindin gemacht hat. Meistens wenn wir da am Nachmittag so fröhlich zusammen gegessen haben ist sie mit ihren Hunden vorbei gelaufen und hat das beobachtet. Eines Tages ist sie an den Tisch getreten und hat ein Gespräch angefangen. Einer der Sternefrauen am Tisch hat das nicht gepasst und hat ihr mit ziemlich harten Worten erklärt dass wir am Essen seien, dass wir ein Gespräch am laufen hätten und dass sie mit ihrer lauten Stimme total stören täte, sie möge doch bitte später wieder vorbeischauen! Die Sternefrau1 hat mich nur total versteinert angeschaut! Ich war zwar ob dieser Direktheit auch etwas schockiert aber ich habe nicht eingegriffen. Und das hat sie mir nicht verziehen!

Ich habe dann bereits in Torre mitbekommen dass sie bei den etablierten Torre-Sternen über mich allerlei Dinge erzählte, dass ich ein Verhältnis hätte mit diesen beiden Sternefrauen, dass ich auch ihr auf der Reise hierher an die Wäsche hätte gehen wollen, dass ich ein trauriger Spitzbube sei, absolut unzuverlässig, und so weiter.

Ich habe lange überlegt wie ich mich wehren solle, aber ich kam dann zum Schluss: laufen lassen! Diejenigen Leute die mich kennen wissen dass das alles nicht stimmt, und diejenigen die die Sternefrau 1 kennen lernen werden sich auch ihren Reim machen können. Sie wird sich selbst disqualifizieren.

Ich habe dann später, im Cabo de Gata, immer wieder Neues über mich erfahren, es hat mich schon beschäftigt, aber schlussendlich habe ich einen Strich unter diese Episode gezogen. Offensichtlich muss man als neuer Witwer halt einiges lernen.

Einigermassend befriedigend für mich war dann im April, als die Sternefrau 2 mir in drei langen Mail’s ihre Erlebnisse mit ihrer „Freundin“ erzählte. Sie hat mir bestätigt was Sternefrau 1 über mich in Umlauf gesetzt hat, sie das aber nie geglaubt hätte und im übrigen mit ihr total gebrochen hätte. Die hätte da in Torre nur so schnell Zugang gefunden weil sie selber eine rechte Trinkerin sei und darum bestens in diesen Kreis gepasst habe. Also habe ich wohl recht mit meiner Annahme: sie wird sich selbst disqualifizieren und damit ihre üble Nachrede relativieren!

Ich werde übrigens wahrscheinlich nie mehr nach Torre la Sal fahren, aber nicht nur wegen diesem Vorfall. Der grössere Teil der Torre-Sterne bilden eine in sich ziemlich geschlossene Gruppe, die meisten sogar verpaart, sogar mit einem eigenen Forum. Dazu gehört nur wer sich sofort in diese Gruppe integriert, das Trinken gehört aber als fester Bestandteil dazu. Ich bin zwar auch ein flotter Weintrinker, aber das muss ja nicht bereits am Vormittag beginnen, ich kann meinen Mittagsschlaf auch nüchtern halten.

Der Ort eignet sich für mich nicht zum Überwintern: er liegt mir zu weit nördlich und daher zu kalt, er ist viel zu weit weg vom Ort und daher nicht geeignet zum bummeln gehen, der Ort ist katastrophal kaputt-gebaut, und die triste Landschaft gibt einem den Rest. Die relativ gute Infrastruktur des Platzes macht das alles nicht wett, weiter südlich gibt’s nämlich herrliche Alternativen mit mindestens gleichwertigen Einrichtungen.

So, das ist eine weitere Etappe in meinem Witwer-Leben, sehr lehrreich, ich werd’s schon noch lernen. Ich habe in der Zwischenzeit mit den Sternen viele durchwegs positive Erlebnisse gehabt, wunderbare Reisen, unverhoffte Treffen, liebe neue Bekannte gefunden.

Erstaunlich für mich ist die Erkenntnis dass gut 70% der Sterne Frauen sind. Es ist für mich als Mann völlig neu dass es so viele Frauen gibt die den Mut haben weite Reisen in teilweise sehr abgelegene Gebiete allein zu machen. Ich empfinde eine grosse Hochachtung dafür!

Ich habe unter diesen Frauen wunderbare „Tiefgängerinnen“ getroffen mit denen ich halbe Nächte lang wirklich gute Gespräche haben konnte und wo ich wirklich merkte: da liegt Erfahrung zum Abruf bereit. Ich bin meinem Schicksal für solche meist zufälligen Treffen sehr dankbar, sie bringen mich weiter. Und es sind keine weiteren Attacken a la Sternefrau 1 mehr passiert, meinen Engeln sei Dank!

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